Im Januar 2019 hat unser kleiner Alberich zum letzten Mal seine Tarnkappe übergezogen, um für immer aus unserem Leben zu verschwinden. Er lag eines morgens ganz plötzlich und unerwartet tot neben seinem Wassernapf. Jetzt liegt er im Garten an seinem Lieblingsplatz, mit gutem Blick auf das Nachbargrundstück. Was er wohl zu dem neuen Nachbarshund gesagt hätte, wenn ihn schon Merkel immer so aufgeregt hat?
Kennt ihr eigentlich seine Geschichte? Ich habe euch doch bestimmt erzählt, dass mein damaliger Nachbar ihn aus einer obskuren Zucht gerettet hat? Er hatte eine kleine Behinderung an der rechten Hüfte, die ihn aber nicht wirklich störte. Aber das war nicht der Grund, warum er als „Ausschuss“ betrachtet wurde. Er hatte auch einen Hodenhochstand, was seiner Karriere als Zuchtkater natürlich im Wege stand. Wie auch immer, mein Nachbar hatte die völlig verängstigte Katze hinter dem Fernseher herausgefischt und mitgenommen.
Was er leider nicht wusste: Joschi hatte fürchterliche Angst vor Kindern. Und da in seinem neuen Zuhause immer jede Menge Kinder waren, nutzte er die erste Gelegenheit zur Flucht (eine offene Terrassentür). Da er erst kurz bei meinem Nachbarn war, hatte sich noch kein Vertrauensverhältnis aufgebaut und so konnte er Joschi nicht dazu bewegen, wieder ins Haus zu kommen.
Einen ganzen Sommer lang lebte Joschi nun wild in unseren Gärten und fraß meinen Igeln das Futter weg. Dann kam der Oktober. Es wurde kälter und mir gelang es schließlich ihn einzufangen. Er wurde operiert und kastriert und schlief fortan in unserem Gästebad.
Wie alle unserer Katzen hatte er ettliche Spitznamen. Da wäre zum einen „Shaun, das Schaf“ – weil er, bis auf seine weißen Pfoten, genau die Färbung eines Suffolk-Schafes hatte und im Winter mindestens so viel Wolle.
Außerdem war er generell ein eher ruhiges Tier. Er war sehr gerne draußen, aber wenn er im Haus war, dann legte er sich meist auf eines seiner Kissen oder eine Decke und schlief. Daher wurde er sehr häufig übersehen. Wir fragten oft: “Wo ist denn eigentlich Joschi?”, nur um festzustellen, dass er genau neben uns auf dem Teppich lag oder unter einem unserer Stühle saß. Da er zu anfangs außerdem der Kleinste war, nannten wir ihn auch “Alberich”. Wer könnte sonst so oft vermeintlich von der Bildfläche verschwinden wie der legendäre Zwergenkönig mit seiner Tarnkappe?
Mal abgesehen von seinem wolligen Pelz hatte Joschi eine Stimme wie ein rostiges Eisentor und wunderschöne blaue Augen, wie es sich für eine Heilige Birma gehört. Im Laufe seiner 14 Lebensjahre hatten wir einige Krankheiten zu überstehen. Mit 9 Jahren wurde bei ihm Epilepsie diagnostiziert. Wobei die Anfälle eher sporadisch auftraten und sehr unterschiedlich waren: Oft im Schlaf, manchmal nur wenige Sekunden lang, dann wieder so heftig, dass er nach einem Sturz vom Kratzbaum sein linkes Vorderbein nicht mehr bewegen konnte. Dabei hatte er Glück im Unglück, denn die Lähmung war auf einen in der Halswirbelsäule eingeklemmten Nerv zurückzuführen und verschwand nach wenigen Tagen. Unvergessen ist auch die Geschichte mit dem Abszess am Kopf. Aber was immer er auch hatte, er war stets ein geduldiger, braver Patient. Ich glaube nicht, dass ich irgendeinem der anderen Teammitglieder ohne zusätzliche Hilfe eine Sprizte oder Infusion geben könnte.
Mit Joschi ist der letzte des zweiten Teams, also der Katzen gestorben, mit denen ich 2011 in unser neues Haus gezogen bin. Ich denke er hat seinen alten Kumpels, allen voran dem von ihm so bewunderten Humphrey viel zu erzählen. Grüße die anderen von uns, kleiner Mann! Du fehlst uns jeden Tag!